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\title{Mobile Systeme auch im Informatikunterricht -- Kommt die Fachdidaktik noch mit?}
% \subtitle{Kurzvorstellung der praktischen Umsetzung einer Projektidee}
\author{Matthias Heming (matthias@familie-heming.de) \and Daniel Spittank (mobile@daniel.spittank.net)}
\date{Letzte Bearbeitung 24.02.2012}
\newcommand{\SuS}{Schülerinnen und Schüler }
\newcommand{\SuSn}{Schülerinnen und Schülern }
\begin{document}
\maketitle
% \tableofcontents
\section{Stirbt der Desktop Computer?}
Die Zukunft des typischen Desktop-Computers sieht nicht rosig aus. Die grauen Kisten vergangener Tage müssen sich zunehmender Konkurrenz erwehren. Mit Note- und zuletzt Netbooks, handelte es sich jedoch bisher eher um >>alten Wein in neuen Schläuchen<<. Doch seit einiger Zeit, tritt nun eine Reihe neuer Gerätetypen in den Ring. Dazu gehören neben Smartphones und Tablets auch eher spezialisierte Geräte, wie Abspielgeräte für Video- und Audiodateien und E-Book-Reader. Im Gegensatz zu Notebooks ist diesen -- oft mobilen -- Geräten die Verwandschaft zu den klassischen Computern nur noch schwer anzumerken. Trotzdem handelt es sich im Kern bei fast allen dieser Geräte um vollwertige Informatiksysteme, die theoretisch universell einsetzbar sind.
Bei \SuSn ist dieser Trend längst angekommen. Sie surfen und chatten mit ihren Smartphones und nutzen diese auch für die Recherche im Netz, die Beantwortung von E-Mails, Interaktionen in sozialen Netzwerken, sowie das Anschauen der letzten Urlaubsfotos. Der Desktopcomputer wird hierfür nicht mehr eingeschaltet. Verstärkt wird dieser Trend auch durch die kontinuierlich günstiger werdenden Tablets.
% \subsection{(Desktop-)Computer in der Schule}
Die Institution Schule hat hierauf bisher allerdings kaum reagiert. Hier dominieren nach wie vor klassische Informatiksysteme. Wenn die Rede von mobilen Geräten ist, geht es in der Regel um die negativen Aspekte der Handybenutzung durch die Schüler und um entsprechende Verbote, auch wenn sich langsam herumspricht, >>dass ein Verbot von Smartphones und ähnlichen Geräten auf dem Schulgelände als abzuschaffender Anachronismus zu betrachten ist<<\cite[S.~12]{CSUNetzrat}.
Die Entwicklung wird aller Voraussicht nach nicht vor der Schule haltmachen. Schulbücher werden hier in Zukunft nicht mehr in gedruckter, sondern in digitalisierter Form vorliegen. Mit neuen Textbooks im iBook-Store versucht derzeit Apple weltweit auch in diesem Segment Geld zu verdienen. Die großen lokalen Schulbuchverlage wie Cornelsen und Klett stellten auf der didacta ihr gemeinsames Projekt >>digitale Schulbücher<< vor, dass im Herbst dieses Jahres starten soll. Es muss also weniger die Frage beantwortet werden, ob mobile Geräte in der Schule verwendet werden, sondern wann dies flächendeckend der Fall ist. Der CSU-Netzrat fordert hier sogar die flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Tablet-PCs (>>Für jedes Kind einen Tablet-PC<< \cite[S.~13]{CSUNetzrat}).
Die mobilen Geräte werden dabei nicht nur E-Book-Reader sein, sondern die Möglichkeiten konventioneller Schulbücher weit übersteigen. Neben der Sichtung vorgefertigter Materialien, kann im Internet recherchiert werden. Die \SuS bekommen dauerhaften, direkten Zugriff auf verschiedene Lernplattformen, verwenden Funktionenplotter oder CAS-Programme in der Mathematik oder nutzen Apps für kreative Filmproduktionen im Kunstunterricht (für weitere Ideen zur Einbindung von Mobiltelefonen werden siehe z.\,B. \cite{Taschenfunk}).
Es bleibt nun die Frage, wie die Informatikfachdidaktik mit diesen Entwicklungen umgehen kann und sollte?
\section{Anderes Informatiksystem -- andere Inhalte?}
Bei der Verwendung mobiler Informatiksysteme stellen sich natürliche neue Probleme ein. So ist die Bedienung zunächst einmal grundverschieden von den klassischen Informatiksystemen. Für den Unterricht wichtige Elemente wie Verzeichnisstrukturen oder der Zugriff auf Dateien und deren Nutzung in verschiedenen Programmen sind entweder gar nicht vorhanden oder so vor dem Benutzer versteckt, dass dieser aktiv danach suchen müsste. Darüber hinaus wird der Anwender mit vielen künstlichen Beschränkungen konfrontiert, deren Überwindung einen Garantieverlust nach sich ziehen kann. So ist etwa die Programmierung für die Geräte (ganz zu schweigen von der Programmierung an den Geräten selbst) von den Herstellern teilweise technisch oder juristisch unmöglich gemacht worden. Beispielsweise erlaubt Apple keine Installation eigener Apps ohne die Teilnahme am kostenpflichtigen Developer-Programm. Die Entwicklung auf den Geräten ist dahingehend eingeschränkt, dass der Code das Gerät nicht verlassen darf, bzw. kein Code von außerhalb nachgeladen werden darf. Entsprechende Apps verfügen daher über keinen Zugriff auf die Zwischenablage. Für den Einsatz im Informatikunterricht sind derartige Bedingungen natürlich recht unattraktiv.
\textbf{Handelt es sich also tatsächlich noch um vollständige Informatiksysteme, die im Unterricht einsetzbar sind und in wie weit passen diese Systeme noch zu den Unterrichtsinhalten?}
Grundsätzlich ist die erste Frage zu bejahen, denn die meisten Einschränkungen sind künstlich herbeigeführt. Sie lassen sich mittels >>Rooting<< -- also dem Verschaffen von Root-Rechten -- aushebeln. Entsprechend >>gerootet<< ist prinzipiell jedes Gerät für den Einsatz in der Schule geeignet. Allerdings ergeben sich damit neue Probleme. So kann es weder aus der technischen noch aus der didaktischen Perspektive als sinnvoll erachtet werden, ständig mit Root-Rechten zu arbeiten, aber unabhängig davon, führt das Rooting bei den meisten Geräten zum Verlust der Herstellergarantie und mitunter zu Problemen bei der Gewährleistungsabwicklung. Damit fällt diese Möglichkeit für Schulen eigentlich aus, insbesondere ist sie ungeeignet, wenn schülereigene Geräte eingesetzt werden sollen. Grundsätzlich eignen sich also die Geräte mit den wenigsten künstlichen Einschränkungen am besten für den Einsatz im Unterricht.
% DIE LISTE SOLLTE WEGFALLEN, WENN DER ABSCHNITT FERTIG IST.
%Argumentationsgrundlinie:
%\begin{enumerate}
% \item Informatik ist uns wichtig, nicht das Informatiksystem
% \item Für den Praxisbezug muss ein Informatiksystem ausgewählt werden
% \item Zu den Themen der Sekundarstufe I passen mobile Systeme sehr gut
% \item Sekundarstufe II: Analyse und Bewertung nur wichtig bei komplexen Systemen, nicht bei didaktisch %zu stark vereinfachten Situationen wie OOP-Zeichnungen, mobile Systeme also sehr sinnvoll für %Anwendungskontexte
% \item Fazit: Mobile Systeme begründen die Wichtigkeit informatischer Grundkonzepte
%\end{enumerate}
Die Formulierung der Bildungsstandards, Richtlinien und Lehrpläne ist im Bezug zu fachlichen Methoden und selbstständigen, teilweise projektorientiertem Arbeiten auf einem so hohen Abstraktionsniveau formuliert, dass eine theoretische Unabhängigkeit vom Informatiksystem vorliegt. Die Nutzung der Wahlfreiheit des Informatiksystems darf jedoch nicht unreflektiert stattfinden, da das verwendete System im Fachunterricht einen hohen Stellenwert hat. Das Informatiksystem ist für \SuS ein konkretes Bezugsobjekt, mit dem sie sich in langen Phasen während des Unterrichts identifizieren müssen.
Die zweite Frage nach der Passung von Unterrichtsinhalten und mobilen Informatiksystemen muss daher dahingehend modifiziert werden, wie leicht sich die theoretischen fachlichen Inhalte für Schülerinnen und Schüler transparent auf Anwendungsbeispiele mit dem gewählten Informatiksystem übertragen lassen.
\subsection{Sekundarstufe I}
Für die informatische Bildung in der Sekundarstufe I existieren mit \cite{InformatikBildungsStandards2008} ausführlich durchdachte Grundlagen. Die folgende Auflistung zeigt einige Aspekte auf, wie mobile Informatiksysteme sich in einzelne Themengebiete der Bildungsstandards einfügen lassen. Natürlich ist die Liste nur exemplarisch und lange nicht vollständig.
Schülerinnen und Schüler sollen im Inhaltsbereich \textbf{Information und Daten} z.\,B. Bedeutung und Darstellungsformen von Nachrichten erkennen und Baumstrukturen am Beispiel von Verzeichnisbäumen analysieren und modifizieren.
Mobile Systeme eignen sich hierzu wesentlich besser als stationäre Systeme, da eine Vielzahl an Nachrichten (SMS/Facebook/Twitter) empfangen und analysiert werden muss. Die Empfangenen Nachrichten werden dabei häufig in verschiedenen Strukturen aufgelistet (Sortierung nach Empfänger, Zusammenfassung mehrerer Nachrichten nach Betreffzeile), die von Schülerinnen und Schülern überblickt und genutzt werden müssen. Obwohl die zugrundeliegende Verzeichnisstruktur immer weiter versteckt wird, ist sie doch auch bei mobilen Informatiksystemen vorhanden. Ein Beispiel dafür ist das Vorhandensein eines DCIM-Verzeichnis, sobald das mobile Informatiksystem als Digitalkamera fungiert und seine Daten einem angeschlossenen System über den passenden Zugriffsstandard zur Verfügung stellen möchte.
Die Konfrontation mit unterschiedlichen Datentypen wird deutlich, sobald die Eingabemöglichkeiten in der Adressbuchverwaltung automatisch reduziert werden. Bei (deutschen) Postleitzahlen ist es nicht sinnvoll, Buchstaben eingeben zu können, Telefonnummern haben eine andere formale Struktur als E-Mail-Adressen.
%Einzig bei der Nutzung von Standardanwendungen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationen) ist die Verwendung von Mobiltelefonen noch nicht ganz so leicht möglich, da es bisher noch wenig passende Software gibt. Durch die stärkere Verbreitung von Tablets wird sich die Situation in der nächsten Zeit jedoch noch ändern.
% KOMMENTAR DANIEL: Zumindest für Android und iOS gibt es hier inzwischen eine recht große Auswahl, ganz abgesehen von den diversen Online-Angeboten (Google Docs und viele andere). Daher habe ich den Absatz auskommentiert.
Im Themenbereich \textbf{Informatiksysteme} werden Hard- und Software, Betriebssystem und Anwendersoftware, lokale und globale Netze unterschieden. Im Vordergrund stehen außerdem die Speicherung und der Austausch von Daten, unter anderem unter Verwendung von Internetdiensten.
Grundsätzlich sind mobile Systeme natürlich auch nur >>normale<< Systeme und können in dieser Form analysiert werden. Die Betriebssysteme bieten jedoch grundlegend andere grafische Nutzungsoberflächen. Auf Desktopsystemen ist Multitasking selbstverständlich geworden, Programme speichern in Homeverzeichnisse und haben Zugriff auf alle dort gespeicherten Daten. Bei mobilen Systemen wird das Prinzip des Multitaskings im Bezug auf begrenzte Ressourcen (Akku, Speicher) neu diskutiert und beim Zugriff auf Daten wird die Vergabe von Zugriffsrechten heiß diskutiert.
Es kann damit der Vorteil genutzt werden, dass die zu analysierenden Systeme Schülerinnen und Schülern bereits bekannt sind und Alltagserfahrungen mit verschiedenen Internetdiensten, WLAN-Netzen und selbst installierten Programme mit in den Unterricht integriert werden können. Vielen Schülerinnen und Schülern wird durch die Besprechung dieser Themen erst klar werden, welche Möglichkeiten und Gefahren die Verwendung der Geräte mit sich bringt.
Damit ist der Bereich \textbf{Informatik, Mensch und Gesellschaft (IMG)} bereits stark berücksichtigt. Mobile Geräte sind typischerweise personenbezogen, es gibt nicht mehr ein Gerät für alle, sondern jeder hat sein eigenes. Viele personenbezogene Daten werden produziert, gespeichert und häufig ohne das Wissen des Anwenders automatisiert verarbeitet. Sämtliche weiteren Aspekte zu IMG in den Bildungsstandards könnten hier ebenfalls zitiert werden, denn gerade bei mobilen Informatiksystemen sind die erwähnten Kompetenzen sehr wichtig, um verantwortungsvoll mit den Systemen umgehen zu können.
\subsection{Sekundarstufe II}
Die Bezüge zu den Themengebieten der Sekundarstufe II sind nicht so deutlich wiederzufinden, da die Richtlinien und Lehrpläne auf einem höheren Abstraktionsniveau formuliert sind, um viele Freiheiten bei der konkreten Unterrichtsgestaltung lassen. Allerdings stellt man bei der Durchsicht der fachlichen Inhalte fest, dass gerade diese allgemeine Formulierung aus dem Jahr 1999 dazu führt, dass die behandelten Themen heute immer noch aktuell sind.
In Bereich der \textbf{Analyse und Bewertung} geht es um typische Einsatzbereiche, Möglichkeiten, Grenzen, Chancen und Risiken der Informations- und Kommunikationssysteme. Mit der zunehmenden Mobilität der Informatiksysteme hat sich genau dieser Aspekt in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt, was die schon in der Sekundarstufe I diskutierten Möglichkeiten und Gefahren mit sich bringt. Der bereits angesprochene hohe Grad der Personalisierung, bei gleichzeitiger Anbindung an öffentliche Netze, bedarf etwa einer weiteren Sensibilisierung für Themen wie Datenschutz, Datensicherheit und Kryptographie.
Der gesamte Themenkomplex der Analyse und Bewertung ist dabei nur sinnvoll im Unterricht zu behandeln, wenn die besprochenen Systeme komplex genug sind. Dies sollte außerdem im \textbf{Kontext der Anwendung} geschehen. Bei den im Lehrplan genannten Anwendungsbeispielen (z.\,B. Informationssysteme wie Fahrplanauskunft, Mustererkennung wie QR- bzw. Barcodes, Sprachverarbeitung wie Siri und natürlich Datenschutz bzw. -sicherheit und der weit gefächerte Bereich der Telekommunikation) bieten sich die Realisierung bzw. Übertragung auf mobile Informatiksysteme gerade zu an.
% Analyse und Bewertung sind zudem nur bei komplexen Systemen wichtig, nicht bei didaktisch zu stark vereinfachten Situationen Modelle von Häusern oder Waggons, die sich über den Bildschirm bewegen lassen. Mobile Systeme sind also auch deshalb als durchaus sinnvoll für Anwendungskontexte im Informatikunterricht anzusehen.
\subsection{Zusammenfassung}
Am Beispiel der mobilen Systeme wird die steigende Durchdringung des Alltags mit Informatiksystemen und informatischen Sachverhalten besonders deutlich. Damit geht natürlich die weiterhin wachsende Bedeutung informatischer (Grund-)Bildung einher. Es ist daher nur konsequent, die mobilen Informatiksysteme in den Informatikunterricht zu bringen und somit diesen Wandel des Alltags für eine Verbesserung der informatischen Bildung zu nutzen.
\section{Nutzungsperspektiven}
Hierbei stellen sich natürlich grundsätzliche Fragen zur Einbindung in den Unterricht und der Art, wie informatische Konzepte zu behandeln sind. Ist es wichtig, dass \SuS einzelne grafische Objekte über den Bildschirm schieben, deren Größe und Farbe verändern und dann zu Häusern und Waggons zusammensetzen? Richtig umgesetzt kann man damit bestimmt gut in das Konzept von Objekten, Attributen und Methoden einleiten, aber dies kann und darf nicht auf Dauer angelegt sein. Vielmehr sollten die Konzepte im Sinne eines problemorientierten Ansatzes auch auf Probleme angewendet werden, die dem Alltag der \SuS entstammen. Mit dem Fokus auf den Datenaustausch zwischen mobilen Geräten sollten auch Kontakteinträge, gemachte Fotos oder selbst aufgenommene Audiodateien als Objekte angesehen werden, die erstellt, manipuliert und gelöscht werden können.
Bezüglich der Kommunikation zwischen Objekten kann man natürlich eine grafische Benutzungsoberfläche näher analysieren und erfragen, welche Daten zwischen Maus, Knöpfen und Textfeldern ausgetauscht werden, jedoch ist es nicht nur interessanter, sondern bezüglich der Bewertung der Gefahren global existierender Informatiksysteme viel wichtiger, herauszufinden, welche Daten zwischen verschiedenen größeren Teilsystemen ausgetauscht werden und wer an welcher Stelle Zugriff auf diese Daten hat.
Die Programmierung mit Hilfe visueller Programmiersprachen wie Scratch mag ein Einstieg in die Programmierung mit geringen Hürden darstellen, der eine sehr kreative Sichtweise auf informatische Konzepte ermöglicht. Jedoch fällt es bei der Verwendung einer solchen Programmiersprache schwer, einen Bezug zum realen Leben herzustellen und Schülerinnen und Schüler den verantwortlichen Umgang mit Informatiksystemen näherzubringen.
% (LEGO UND SCRATCH ERST MAL WEGGELASSEN, EVTL. NOCH SPÄTER)
% Ist es wichtig, dass \SuS virtuelle oder reale LEGO-Roboter programmieren und durch Labyrinthe schicken? Naja, richtig umgesetzt können hiermit algorithmische Grundgedanken (Backtracking bei der Wegesuche in Labyrinthen) trainiert oder die Güte von Sensoren getestet werden (nicht immer wird die schwarze Linie erkannt, auf der der Roboter fahren soll).
% (HIER IRGENDWIE DARÜBER NACHDENKEN; WO (LEGO-)ROBOTER NACHTEILE MIT SICH BRINGEN -- bisherige Gedanken dazu waren irgendwie zu verwirrend)
%
% (NÄCHTEN BAUSTEIN EVTL. WEGLASSEN)
% Scratch -- Programmieren mit grafischen Bausteinen mag sehr kreativ sein und die daraus resultierenden automatisiert ablaufenden Comics schön anzusehen, doch welche Dinge werden \SuSn hier beigebracht, die zu der immer geforderten Mündigkeit führen, die das hohe Ziel der Schule darstellt.
Nutzt man mobile Informatiksysteme in einem problemorientiert ausgerichteten Informatikunterricht mit Alltagsbezug, so ergeben sich vielfältige und interessante Möglichkeiten, die im folgenden nur Stichwortartig aufgeführt werden:
\begin{itemize}
\item Entwicklung von Programmen, die Daten von Servern aus dem Internet erfragen, die empfangenen Daten analysieren und in geeigneter Form interpretieren/aufbereiten (notwendig: \textbf{Vereinfachter Netzwerk-/Internetzugriff}) -- evtl. verbunden mit Authentifizierungssituationen, wenn auf eine Art >>Cloud<< zugegriffen werden soll
\item Analyse und Nachbau eines mobilen Kommunikationsnetzes zur Übertragung von Nachrichten analog zur SMS. Aber auch Situationen, in denen Autos mit der nächsten Ampel kommunizieren, evtl. über mehrere Hops (notwendig: \textbf{z.\,B. Bluetooth als Direktverbindung} und selbst programmiertes Routing, \textbf{Server-Client-Strukturen} (passende Klassen gibt es schon))
\item Mobiles Gerät als Wanze, Fernsteuerung z.\,B. per SMS (\textbf{notwendig: Zugriff auf Kamera/Mikrofon, vereinfachter Netzwerk-/Internetzugriff})
\item Zentralisierte Terminverwaltung, Mitschülerinnen haben Einblick in fremden Kalender, können Termine machen/anfragen, absagen, hier besonders wichtig der Datenschutz, aber auch die Datenverwaltung (notwendig: \textbf{Zugriff auf Kalender/Kontakte})
\item Analyse und Nachbau von Google Latitude, Server muss Daten verwalten, Umgang mit deaktiverten Geräten, ... (notwendig: \textbf{Zugriff auf Positionserkennung, vereinfachter Netzwerk-/Internetzugriff})
\end{itemize}
Man sieht: Die Anwendungsmöglichkeiten von mobilen Geräten sind mannigfaltig, die direkte Anbindung an den Alltag der \SuS bietet darüber hinaus einen echten Vorteil gegenüber den im Informatikunterricht verbreiteten, künstlichen Umgebungen. Wie in den Lehrplänen gefordert bieten sie uns vielfältigste Möglichkeiten, Lernen im Kontext der Anwendung zu ermöglichen, die komplexen Situationen zu analysieren, erste Gedanken zu Implementieren und das System in fortschreitenden Modellierungszyklen zu optimieren. Echtes Modellieren zu realen Problemstellungen lässt sich mit mobilen Geräten also sehr einfach in den Unterricht bringen.
Für diese Art des Umgangs ist es absolut notwendig, nicht nur theoretisch vorzugehen und von mobilen Systemen zu sprechen, sondern diese tatsächlich im Unterricht zu verwenden.
\subsection*{Was haben wir noch davon?}
Neben den fachlichen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Nutzung mobiler Geräte weitere interessante Möglichkeiten für die Schule. Die offensichtlichsten Nutzungspotentiale wurden bereits angesprochen: Die mobilen Informatiksysteme stehen jederzeit zur Verfügung und können so den Unterricht bereichern. Nicht nur Webrecherche, sondern auch audiovisuelle Dokumentation, Präsentation, die Bearbeitung digitaler Unterrichtsmaterialien und weitere Einsatzszenarien sind hier denkbar.
Darüber hinaus eröffnen sich durch die Nutzung der mobilen Informatiksysteme im Unterricht viele Anknüpfungspunkte für die bewusste Beschäftigung mit drängenden Problemstellungen, die sich durch die veränderten Nutzungsgewohnheiten ergeben.
So ist es zweifellos didaktisch sinnvoller, Themen wie Cybermobbing und Gewaltvideos, aber auch den Umgang mit persönlichen Daten (Stichworte sind hier Datensparsamkeit und Verschlüsselung), aktiv im Unterricht zu behandeln, als sie durch Verbote auszublenden. Gerade in Hinblick auf die vielfach für die Begründung von Handyverboten herangezogenen Gewaltvideos muss man festhalten, dass die eigentlichen Taten oft außerhalb der Schule passieren und so durch Verbote keine Verhinderung, sondern lediglich eine Verdeckung erreicht werden kann.
Der Umgang mit persönlichen Daten wird nicht nur durch die Nutzung von sozialen Netzwerken immer bedeutsamer. Insbesondere die Verbreitung der mobilen Informatiksysteme erzwingt eigentlich eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik. Die Tendenz geht zum eigenen Gerät, im Gegensatz zu klassischen Informatiksystemen besitzen die Schüler eigene, mobile Geräte mit vielen persönlichen Daten. Der Schutz der Daten vor Zugriff (z.\,B. auch durch Verschlüsselung), die Sensibilisierung für die Möglichkeit des >>Mithörens<< beim mobilen Internetzugang (durch Betreiber der Hotspots, wie auch durch andere Benutzer) mit der Konsequenz der Nutzung verschlüsselter Verbindungen, und auch die Sensibilisierung für die Funktionsweise und die Fallstricke des bald möglichen Bezahlens per NFC, sind allesamt wichtige Elemente auf dem Weg zum mündigen Bürger, der sich sicher im Alltag bewegen kann. Nirgendwo anders als in der Schule kann dies sinnvoll thematisiert werden.
\section{Unterrichtseinsatz}
In \cite{HemingMasterarbeit} werden zwei unterschiedliche Perspektiven bezüglich des Unterrichtseinsatzes unterschieden. Die Perspektive der \textbf{Analyse der Wirklichkeit} fokussiert einen analytischen und explorativen Einsatz der Informatiksysteme. Die zugrundeliegenden Konzepte, die der Analyse von Schülerinnen und Schülern bedürfen, sind ohnehin Teil des Informatikunterrichts, hier das Smartphone als Informatiksystem herauszugreifen und den Unterricht darauf auszurichten ist unproblematisch. Die informatischen Inhalte anhand der mobilen Informatiksysteme zu vermitteln, ist auch möglich, ohne sie als die Informatiksysteme der Wahl für die praktischen Implementierungsaufgaben zu verwenden.
Die meisten der Schüler besitzen Handys, viele sogar Smartphones. Damit ist es problemlos möglich, die Geräte im Unterricht einzusetzen.
Konkret sind hier verschiedenste Arten der Einbindung denkbar, etwa in Form von Rollen- und Objektspielen, die die Kommunikationsstrukturen im Mobilfunknetz darstellen, um bereits jetzt von den positiven Aspekten der mobilen Informatiksysteme zu profitieren.
Die Perspektive der \textbf{Veränderung der Wirklichkeit} nach \cite{HemingMasterarbeit} bezieht sich auf die aktive Gestaltung der Wirklichkeit durch die Programmierung an den Geräten. Dies gestaltet sich bei den aktuellen Systemen hingegen schwieriger. Wie bereits festgestellt, sind nicht alle Geräte geeignet (nur bestimmte Smartphones eignen sich), außerdem ergeben sich weitere Probleme. Die Hauptprobleme sind hierbei die inzwischen riesige Vielfalt der Geräte, die längst nicht alle die Voraussetzungen erfüllen, und der Mangel an (einheitlichen) Schnittstellen. Das Problem der Gerätevielfalt und der teilweise sehr unterschiedlichen Umgebungen (System, Editoren, allgemeine Bedienung) ließe sich über einheitliche Schnittstellen reduzieren, aber nicht vollständig ausräumen.
\subsubsection{Symbian S60}
Nokias Handys mit Symbian S60 boten erstmals die Möglichkeit der Programmierung auf den Geräten, in Pilotkursen an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bergkamen, konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von mobilen Informatiksystemen im Unterricht sinnvoll möglich ist.
Allerdings verloren die Geräte von Nokia den Anschluss an den Smartphone-Markt und durch die Abkehr von Symbian und die Hinwendung zu Windows Phone geht diese Plattform für den Einsatz in der Schule verloren, ohne dass bisher ein geeigneter Ersatz zur Verfügung stehen würde.
\subsubsection{Android}
Die Android API ist über SL4A für verschiedene Skriptsprachen, unter anderem Python, verfügbar. Allerdings ist sie inkonsistent und rein prozedural. Sie ermöglicht jedoch den -- weitgehend geräteunabhängigen -- Zugriff auf die wesentlichen Funktionen von Android-Geräten. Allerdings ist der Zugriff auf die grafische Benutzeroberfläche eingeschränkt, so steht etwa keine Zeichenfläche zur Verfügung und es können nur vordefinierte GUI-Elemente genutzt werden.
Außerdem gibt es verschiedene Projekte die eine eigene Python-Umgebung für Android-Geräte bereitstellen, diese verfügen jedoch bisher nur über einen eingeschränkten Zugriff auf die speziellen Funktionen der Geräte. So ist teilweise kein Zugriff auf die eingebauten Sensoren möglich. Allerdings bieten diese Projekte dafür eigene Zeichenflächen und GUI-Schnittstellen, die der offiziellen API überlegen sind.
Es erscheint partiell möglich, die einzelnen Ansätze miteinander zu verzahnen, um hier ein Optimum zu erreichen. Die in Entwicklung befindliche Schnittstelle berücksichtigt dies.
Zur Programmierung auf den Geräten bleibt festzuhalten, dass zwar inzwischen diverse Editoren für diesen Einsatzzweck existieren, aber alle noch Mängel aufweisen, die den Einsatz erschweren (oft keine direkte Ausführung des Codes möglich, Bearbeitungen mehrerer Quelldateien umständlich usw.). Zudem sind die wenigsten der verfügbaren Onscreen-Tastaturen für die Programmierung brauchbar. Hier bestehen also zwei weitere Problemfelder, die für den schulischen Einsatz berücksichtigt werden müssen. Diese Probleme ließen sich jedoch lösen, da die Entwicklung eigener Editoren und Tastaturen prinzipiell möglich ist.
\section{Notwendige Entwicklungsarbeiten: Der Schnittstellenentwurf}
\subsection{Generelle didaktische Überlegungen}
Eine nach didaktischen Kriterien gestaltete Schnittstelle ist zwingend erforderlich, da die verfügbaren Schnittstellen aktueller Mobilgeräte hier diverse Mängel aufweisen. Ein zentraler Kritikpunkt ist das Fehlen einer objektorientierten Struktur. Außerdem sind die entsprechenden APIs in sich nicht konsistent. So sind etwa bei SL4A (Android) Listen von Nachrichten völlig anders zu behandeln als Listen von Kontakten.
Neben den offensichtlichen Kriterien, sollte hierbei Wert auf einfache Strukturen und kurze Namen gelegt werden, denn die Eingabemöglichkeiten von mobilen Geräten (insbesondere Smartphones) können stark eingeschränkt sein und somit die Eingabe von langen Quelltexten zur Qual werden lassen.
Grundsätzlich sollte sich die Schnittstelle jedoch an vorhandenen Schnittstellen und Projekten orientieren, um eine ausreichend stabile Basis für die zukünftige (Weiter-)Entwicklung zu bieten. Hierbei ist es wichtig, dass nicht nur einzelne Menschen mitarbeiten, denn diese Arbeit ist aufwendig.
\subsection{Geräteunabhängigkeit}
Zu diskutieren bliebe, welche Produktkategorie für den Unterrichtseinsatz besser geeignet ist. Jedoch spricht grundsätzlich auch nichts gegen den Einsatz verschiedenster (auch schülereigener) Geräte, sofern eine gemeinsame Schnittstelle existiert. Zumindest die Geräte einer Plattform sollten sich recht unproblematisch kombinieren lassen. So könnten auch schülereigene Geräte verwendet werden, was die Motivation der Schüler wahrscheinlich erhöht.
Die erarbeitete Struktur muss also unabhängig von einem konkreten Informatiksystem sein, damit sie möglichst vielfältig und vor allen Dingen auch theoretisch umgesetzt werden kann, denn auch in Zukunft wird es nicht ohne sehr große Hürden möglich sein, diese Geräte auch in Prüfungssituationen verwenden zu können.
Um eine möglichst breite Auswahl an Geräten zu unterstützen, darf die zu entwickelnde Schnittstelle
nicht zu stark an eine bestimmte API(-Version) gebunden sein, sondern muss ein entsprechend hohes Abstraktionsniveau bieten. Nach Möglichkeit sollte die Schnittstelle vollständig unabhängig von der (Mobil-)plattform sein. Es wäre auch zu überlegen, ob Teile der Schnittstelle für klassische Informatiksysteme umgesetzt werden können. Für Desktopcomputer ist die Umsetzung eigentlich uninteressant, da die meisten Funktionen hier nicht existieren und man wiederum eine künstliche Umgebung errichten würde. Bei Notebooks sieht die Situation schon etwas günstiger aus, denn diese sind mobiler und verfügen nicht nur über Bluetooth, sondern in der Regel auch über Webcams, fest eingebaute Lautsprecher, die häufig softwareseitig einzustellen sind und GPS-Module könnten angeschlossen werden.
\subsection{Zugriff auf spezielle Funktionen}
Die Arbeit mit mobilen Geräten ist auch besonders deshalb interessant, weil sie auf kleinstem Raum eine Fülle spezieller Funktionen bieten, die attraktive Anknüpfungspunkte für Problemlösungsansätze bieten, die sich direkt auf die Lebenswelt der Schüler beziehen.
Dazu zählen:
\begin{itemize}
\item Direkter Netzwerkzugriff (unabhängig, ob mit WLAN oder Mobilfunk)
\item Zugriff auf verbaute Kameras und Mikrofone
\item Positionserkennung per GPS/WLAN
\item Auswertung von Touchscreen-Events (u.\,a. Gestenerkennung)
\item Zugriff auf Sensoren
\item Zugriff auf Kontakte und Kalender (Möglichkeit zur Unterscheidung, falls mehrere vorhanden)
\item Verschicken von SMS/E-Mail/Twitter/...
\item Tätigen von Telefonanrufen/Videochats/...
\end{itemize}
Ein Beispiel für den schnellen, praxisbezogenen Einstieg kann die Nutzung von Lautstärke-Profilen sein. Während bei Desktopsystemen die Lautstärkeregelung auch gerne durch externe Lautsprecher und damit eigenen Einstellungsmechanismen verbunden ist, spielen solche Einstellungen bei Mobiltelefonen und Tablets eine wichtige Rolle, da die Geräte in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich eingestellt sein müssen (Schule, Büro, Freizeit, in der Nacht). Dies ist bei den meisten aktuellen Smartphones zwar leicht erreichbar, eine automatische Umschaltung ist von Haus aus jedoch nicht vorgesehen. Hier lässt sich mit einem entsprechenden Skript, das etwa auf die Positionserkennung zurückgreift, schnell der Mehrwert verdeutlichen, der sich ergibt, wenn man über die reine Anwendersicht hinausgreift und sich der Programmierung der Geräte zuwendet.
\section{Fazit und Ausblick}
Zum Abschluss sei hier noch einmal auf das Positionspapier des CSU-Netzrates verwiesen: >>Wir müssen aber in unserer Gesellschaft dahin kommen, dass die Chancen dieser Geräte vor allem unter Lern- und Kommunikationsgesichtspunkten gesehen wird und lediglich Missbrauch unterbunden wird, und zwar im Rahmen eines umfassenden IT-Nutzungskonzepts unter fachlichen und pädagogischen Gesichtspunkten, nicht einfach durch Verbote.<<\cite[S.~12]{CSUNetzrat}
Die umfassende Einbindung in den Unterricht, besonders in den Informatikunterricht, ist zeitintensiv und benötigt fraglos einen große Menge Arbeit. Besonders die, für die Entwicklung an den Geräten notwendige, Implementierung der Schnittstellen und die Übertragung auf verschiedene Plattformen sind aufwendig. Die Spezifikation der Schnittstellen sind derzeit in Arbeit, für Android wird es demnächst eine erste Umsetzung geben.
Trotzdem bleibt sehr viel zu tun und wir möchten alle Interessierten dazu einladen, sich hieran zu beteiligen. Bereits jetzt kann sich jeder Informatiklehrer daran ausprobieren, mit seiner Lerngruppe einen alternativen Zugang zu grundlegenden informatischen Konzepten zu finden, indem z.\,B. ein Sequenzdiagramm für das Verschicken einer SMS entwickelt oder die Problematik der Gesprächsvermittlung bei Auslandsaufenthalten diskutiert wird. Wünschenswert wäre es dabei, andere an den gesammelten Erfahrung teilhaben zu lassen, so dass interessante Ansätze von anderen Personen weitergedacht werden können.
Schülerinnen und Schüler haben den Desktop-Computer längst aufgegeben. Die Fachdidaktik muss reagieren.
\bibliography{literatur}
\end{document}